Haus Der Musik Innsbruck,  Geschäftsführer Laubichler interview 2018

 

Wie sieht ein so vielseitiger Musiker, der in vielen Genres zu Hause ist, den klassischen Konzertbetrieb?

 

- Positiv! Dass die Menschen trotz ständiger Verfügbarkeit aller Musik-streamings immer noch ins Konzert gehen und das live Erlebnis dadurch fast noch wichtiger geworden ist, erfüllt mich mit Hoffnung für die Species Mensch: Denn Musik ist wie ein Berührung - und die sagt immer alles, wenn Worte nicht mehr weiter können. Musik  ist also eine unmittelbare Berührung unseres Seins, unserer Empfindung , unserer „Seele“ oder was immer wir darunter verstehen. Das wollen die Menschen scheinbar immer noch gemeinschaftlich und mit unseren ursprünglichen Sinnen wahrnehmen, da reicht die Konservenabfütterung eben doch nicht. Deshalb glaube ich an den Konzertbetrieb.

 

Wie gehen diese Gegensatzpaare zusammen: Improvisation und Komposition? Freiraum und Strenge? Ein Widerspruch?

 

- Jede Improvisation strebt nach Gültigkeit, im Idealfall steht sie als Komposition da. Jede Komposition hat einen improvisatorischen Ursprung und behält in guten Interpretationen soviel wie möglich von dieser improvisatorischen Situation. Freiraum und Strenge bedingen einander - wo kein Rahmen, gibt es eher Chaos als Freiheit. Und Strenge kann nur im Wechselspiel mit Gelöstheit existieren. In der Musik ist das noch klarere als im restlichen Leben. Stravinsky sagte: je klarer der Rahmen desto grösser die Freiheit und die Ideen.

 

Warum ist das Improvisieren verloren gegangen? In früherer Zeit wurden Kadenzen beispielsweise improvisiert.

Ich wiederhole mantraartig: es wird in der musikalischen Erziehung nicht berücksichtigt. Dabei ist es geradezu absurd, immer nur Noten zu spielen und keine eigenen Töne, wenigstens hin und wieder und auch gern nur für sich selbst. Es muss nicht jeder auf der Bühne improvisieren, aber ein musikalisches Leben wird sehr viel  reicher über einen Zugang zum „in -sich Hineinhören“. Ich versuche jeden Tag etwa 15 Minuten „absichtslos“ zu improvisieren, um meiner unbewussten und bewussten Seele auf die Spur zu kommen; das ist höchst vergnügliche Selbsttherapie.

 

Bei Klassikkonzerten ist das Publikum ja immer ganz begeistert von Werken aus anderen Genres als Zugabe. Hast du schon einmal bei einem Jazzkonzert eine klassische Zugabe gespielt und wie reagiert das Publikum darauf?

Ja,  die Jazzer hören sehr gerne Komponiertes, als Abwechslung. Aber eben vor allem, wenn man es so spielt als sei es gerade erst erfunden. 

Noch frampanter empfinde ich aber immer das gemeinsame real-time Erlebnis einer kleineren oder grösseren Improvisation, wenn zuvor nur „Vorbereitetes“, sprich Noten, gespielt wurden. Vielleicht sogar sehr gut gespielt wurden, aber eine gut improvisierte Note hat immer noch eine andere - keine Wertung!, Aura als die best gespielte notierte Note. Wir sind halt Menschen und leben in dem Parameter Zeit und den kann man nur überwinden wenn wirklich etwas Gegenwärtiges passiert…… Wenn uns die Gegenwart packt, werden wir zu lebendigen Menschen. Wenn die Planungen nicht mehr existieren. Wenn man den Moment entscheiden lässt. Und die Improvisation ist eben doch noch mehr im Hier und Jetzt verwurzelt. 

 

Hat das klassische Konzertritual eine Auswirkung auf die Akzeptanz von Konzerten allgemein?

Das gängige Konzertritual ist lange gewachsen und hat wie jede Tradition gute und weniger gute Seiten. Dass man sich auf eine konzentrierte Form des Hörens einigt, finde ich schon grossartig - wo sonst lassen Menschen soviel Stille zwischen der Musik zu? Wenn allerdings jemand nach dem ersten Satz klatschen will so stört mich das gar nicht - angeblich hat man auch bei der Erstaufführung in Wien von Brahms´Violinkonzaert nach der Kadenz hineingeklatscht, das gibts also nicht erst seit dem Jazz. Aber dass sich Rezeptionsformen mit der Zeit auch ändern können und sollen, (zB. Frack ist wirklich kein Muss mehr) ist klar und wünschenswert.

 

Wie erlebt ein Musiker wie du das Publikum bei den verschiedenen Musikgenres?

 Letzten Endes sehr ähnlich: das Publikum will etwas Besonderes erleben, und ist erfreulich offen für die Art der Besonderheit - allen anderen Unterschieden (Kleidung, Sitzhaltung, usw.) stehe ich realtiv leidenschaftslos gegenüber. Meine einzige (innere) Frage am Anfang eines Konzerts,beim Verbeugen,  an das Publikum ist: Seit ihr, sind wir bereit für das Besondere?